Leitung:
PD Dr. Markus Dauss
Profil
Ziel der Studiengruppe ist es, die affektiven Gehalte und die imaginären Dimensionen von Architekturen sichtbar zu machen. Grundannahme ist die These, dass Bauwerke aller Epochen stets nicht nur in sachlich-pragmatischen Anforderungen (Materialität, Statik/Tektonik, soziale Funktionen) aufgehen. Vielmehr sind Bauwerke immer auch als Medialisierung von Emotionen und als Verkörperungen von Imaginationen zu verstehen. Selbst wenn Erbauer und Nutzer dies explizit negieren, lassen sich also auch die ‚harten’ Dimensionen von Architekturen als Teile affektrhetorischer Programmatiken und als ästhetische Konstruktionen verstehen.
Die affektiven und imaginären Aspekte von Architekturen verschiedener Zeiten können, so die Leitannahme der Gruppe, beleuchtet werden, indem man die Bauten und die sie begleitenden Diskurse in einem komparativen Zugriff so zueinander in ein Verhältnis setzt, dass sie sich gegenseitig, sei es durch Kontrastierung, sei es durch Kongruenz, erhellen. Die zugleich angestrebte interdisziplinäre Ergänzung ist auch in den unterschiedlichen Medialisierungsformen der Architektur begründet: Nicht nur in die Gestalt des Gebauten selbst oder seine Verzahnung mit dem jeweiligen Umgebungsraum, sondern auch in ikonische Inszenierungen durch ‚externe’ Bildmedien (Graphik/Malerei, Fotografie, Film) sind stets affektive und imaginäre Aspekte eingeschrieben. Nicht zuletzt stehen auch in literarischen Entwürfen vielfach die emotiven oder fiktionalen Aspekte der Architektur im Vordergrund. Und anders herum machen sie sich auch im wissenschaftliche ‚Theoriebau’, vor allem in der philosophischen ‚Systemarchitektur’, geltend – was ebenfalls reflektiert wird.
Dabei ist zu klären, inwieweit es methodisch hilfreich ist, bestehende Paradigmen wie Rhetorik, kunsthistorische Affektästhetiken und kultursoziologische Theorien des Imaginären zu nutzen oder zu erweitern. Die Studiengruppe richtet sich an Studierende und Forschende aller Fachrichtungen.
Die Studiengruppe hatte ihre Arbeit zum Sommersemester 2017 eingestellt und hat sie zum Wintersemester 2018/19 wieder aufgenommen.
Vom Campus zum Image: Emotionalisierungsstrategien der Hochschularchitektur im diskursiv-medialen Feld
Im WS 2013/14 beschäftigt sich die Studiengruppe (Übung) in Fortsetzung der thematischen Schwerpunkte der letzten Semester mit dem Zusammenhang von Affekt und Universitätscampus bzw. Hochschularchitektur.
In den vorangegangenen Semestern haben wir diskutiert, inwieweit Universitätscampen und ihre Bauten in der Tradition utopischer Entwürfe stehen, etwa um Raum für ideale Lerngemeinschaften zu schaffen oder gesellschaftliche Neuanfänge institutionell zu unterfüttern. Utopien haben stets ein Interesse an der Generierung und Kanalisierung von affektiven Haltungen und emotionalen Einstellungen und übersetzen diese in Raumentwürfe. Frage war also, ob dies auch an Universitätsbauten und ihren räumlichen Kontexten plastisch wird.
Endpunkt der exemplarischen Betrachtungen des vorletzten Semesters waren die Universitätsbauten Ferdinand Kramers für den Nachkriegscampus in Frankfurt-Bockenheim, die im Rahmen der Transformation des Standortes weitgehend von der Bildfläche verschwinden werden. Trotz ihrer betonten ‚Sachlichkeit‘ oder sogar amerikanisch-modern anmutender Coolness – gegen die Pathosformeln der traditionellen ‚Wissenschaftsschlösser‘ gesetzt – ließ sich auch hier die Intention einer Stiftung emotionaler Identifikation ausmachen. Programm war, durch zurückhaltende, aber genau kalkulierte architektonische Gesten Frei- und Entfaltungsraum nicht nur für didaktische Prozesse, sondern auch für emotionale Bindungen zu bieten. Die Aufgabe dieser über lange Jahre vernachlässigten Bau- und Raumensembles generiert nun ihrerseits wieder Affekte, wie aktuell zu beobachten.
Im signifikanten Kontrast zum Verschwinden des Campus Bockenheim steht die reale wie mediale Präsenz des Campus Westend und seiner ikonischen Leitbauten. Wir haben sie im letzten Semester konkret wie aus der Ferne – mit einem Blick auf die Planungsgeschichte – umkreist und erkundet. Nun steht die Frage steht im Raum, wie sich der Neubau von universitären Ensembles, ihre Ikonisierung und der Wandel gesellschaftlicher und institutioneller Leitbilder aufeinander beziehen lassen. Welche imaginierten Selbstbilder der Institution werden hier in räumliche Form übersetzt, welches Images werden dafür entworfen, und welche Rolle spielen Emotionalisierungsstrategien dabei? Wie werden Neubauprogramme der letzten Jahre aufgenommen, welche Affekte generieren oder kanalisieren sie innerhalb und außerhalb der universitären Welt? Mit welchen architekturgeschichtlichen, soziologischen oder raumanalytischen Zugriffsweisen lassen sich diese Prozesse beschreiben?
Durchzuführen sein wird eine Diskursanalyse unterschiedlicher Texte, Bilder und medialer Formate, welche den Entwurf, die Produktion und Rezeption dieser neuen Frankfurter Campus-Architektur – immer als Gegenbild zum Verschwinden des Campus Bockenheim zu verstehen – begleiten. Herangezogen werden sollen etwa die Publikationsorgane der Universität selbst (inklusive ihres Webauftrittes) und Texte bzw. Text-Bild-Komplexe, verfasst von Akteuren der Standortverlagerung selbst. Gefragt werden soll aber auch, ob die dort vertretenen, häufig emphatischen Positionen, angestrebten emotionalen Identifikationen und normativ aufgeladenen Images bruchlos von der weiteren Öffentlichkeit an- und aufgenommen werden.
Es existiert ein begleitender OLAT-Kurs.
Die Veranstaltung flankiert ein aktuelles Projekt/Hauptseminar zum 100-jährigen Universitätsjubiläum, das von Helen Barr, Bettina Marten, Bettina Rudhof und Bettina Güdelhöfer angeboten wird: „Die Universität wird 100! Vom Auditoriengebäude zum Campus Bockenheim - Eine Geschichte des Campus Unser Beitrag zum Jubiläumsjahr“ (weitere Infos dazu im Vorlesungsverzeichnis).
Max. Teilnehmerzahl: 30
Anmeldung bitte vorab per Email ab dem 01.10.2013 an dauss@kunst.uni-frankfurt.de
Erste Sitzung: 21.10.2013
Literatur (Quelle): Rudolf Steinberg (Hg.), Die neue Universität Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2013