Theorien, die den Menschen nicht mehr als Ursprung, Maßstab und Ziel allen Handelns, sondern als Produkt kultureller, sprachlicher und technischer Verfahren betrachten, werden häufig unter dem Begriff des Posthumanismus subsumiert. Theorien, die den Menschen als eine der entscheidenden Ursachen für die gegenwärtige Zerstörung der Erde begreifen, gruppieren sich häufig um den Begriff des Anthropozäns. Die Begriffe ‚Posthumanismus’ und ‚Anthropozän’ markieren mithin die beiden Pole, zwischen denen sich die Environmental Humanities sowie die Cultural Animal Studies mit ihren Forschungsprogrammen bewegen. Die Grundlagen posthumanistischen Denkens sind erstens eine Historisierung und zweitens eine Dekonstruktion metaphysischer Subjektkonzepte. Diese Entwicklungen vollziehen sich in Auseinandersetzung mit traditionellen, insbesondere von der idealistischen Philosophie geprägten Konzepten von Subjektivität, wie sie auf prominente Weise auch in kanonischen Texten der Literaturgeschichte Gestalt annehmen. Maßgeblich für die kulturtheoretische Historisierung traditioneller Subjektkonzepte sind die Schriften Michel Foucaults: ‚Der Mensch’ oder ‚das Humane’ sind keine zeitlos gegebenen Größen, sondern lassen sich auf eine historisch überraschend kurze Phase zwischen der Mitte des 18. Jahrhunderts und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts datieren; nach der Zeit des Menschen liegt das, was noch nicht von Foucault selbst, aber doch u. a. ausgehend von seiner historischen Diskursanalyse ‚Posthumanismus’ genannt wurde. Der heutige Mensch, so z. B. Donna Haraway, ist ein technobiologisches Hybridwesen und entsteht, so z. B. Judith Butler, bis in seine geschlechtliche Biologie hinein aus kulturellen Performanzen, weshalb, so z. B. Peter Sloterdijk, die Verfahren der Menschenproduktion zu regeln seien. Maßgeblich für die Dekonstruktion traditioneller Subjektentwürfe ist Jacques Derridas Rückführung des Menschen auf das medial-semiologische Apriori der Schrift, dessen Anerkennung uns gegenwartsdiagnostisch in die Zeit nach dem Menschen führt, die u. a. ausgehend von Derridas kritischer Dekonstruktion ‚Posthumanismus’ genannt wurde. Der Mensch, so betont z. B. Cary Wolfe im Anschluss an Derridas Tier, das ich also bin (Derrida 2010), findet seine selbstverständliche Kontur nicht mehr unter Berufung auf die sogenannte ‚anthropologische Differenz’ in souveränen Gesten der Abgrenzung zu den Tieren; und er ist, so argumentiert z.B. Michel Serres, nicht mehr der unhinterfragte Herr der Dinge, sondern selbst nur noch ein von Quasi-Subjekten (vormals: Dingen) umgebenes Quasi-Objekt.
Esther Köhring (Theaterwissenschaften/ NDL)
Martina Wernli (NDL)
Achim Geisenhanslüke (AVL)
Nicolaus Müller-Schöll (Theaterwissenschaften)
Robert Pütz (Humangeographie)
Verena Kuni (Visuelle Kultur)
Transdisziplinäre Arbeitsgruppe „Multispecies Perspectives: Shared Spaces – More-than-Human Societies – Eco-Sympoetics“ (seit 2020) mit regelmäßigen Arbeitstreffen, Workshops und weiteren Veranstaltungen. Im Zentrum stehen die Erforschung mehr-als-menschlicher Perspektiven, ihrer Bedeutungen und Modi sowie die Entwicklung hierfür geeigneter transdisziplinärer Konzepte und Methoden.
Mitglieder: Roland Borgards (Germanistik), Frederike Felcht (Skandinavistik), Sven Grawunder (Empirische Sprachwissenschaften/ Phonetik und Sprachdokumentation), Vinzenz Hediger (Filmwissenschaften), Verena Kuni (Visuelle Kultur), Frederike Middelhoff (Germanistik), Robert Pütz (Humangeographie), Antje Schlottmann (Geographie und ihre Didaktik), Gisela Welz (Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie).
Koordination: Janneke Rauscher (Forschungskoordinatorin des FZHG)