Leitung:
Ulla Kypta, Fabian Link,Silke Schwandt
Die Studiengruppe beschäftigt sich mit dem Wissen über Transformationsprozesse und mit den Transformationsprozessen von Wissen. Zum einen diskutiert sie verschiedene Modelle, mit denen der Wandel von Gesellschafts- und Wissensordnungen konzipiert wird, zum anderen behandelt sie die Rezeption dieser Transformationsmodelle in der Geschichtswissenschaft. Drei Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: (1) Mit welchen theoretischen Modellen kann historischer Wandel erklärt werden? (2) Welchen Transformationen sind solche Modelle bei ihrer Übernahme in die Geschichtswissenschaft unterworfen? (3) Welche performativen und normativ-politischen Dimensionen stehen hinter dem Import von Transformationsmodellen insbesondere in die Geschichtswissenschaft?
Die Studiengruppe ist von der Annahme geleitet, dass Wissen auf vielfältige Weise sowohl zwischen Disziplinen und Forschungsfeldern als auch zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Teilbereichen zirkuliert. Die Übertragung von Wissen ist mit semantischen und epistemischen Verschiebungen verbunden, die jeweils auftreten, wenn Wissen aus seinem Entstehungskontext herausgelöst und in andere kulturelle Kontexte eingebaut wird. Die Übernahme von Transformationsmodellen ist deshalb ein aufschlussreiches Beispiel, weil bei ihrer Übertragung in die Geschichtswissenschaft das Zusammenspiel von Wissens- und Gesellschaftsordnung besonders deutlich wird: Der Auffassung, wie gesellschaftlicher Wandel funktioniert, liegt immer auch eine Annahme darüber zugrunde, wie eine Gesellschaft geordnet ist. So wird der Prozess nachvollziehbar, in dem bestimmte Wissensbestände zu Deutungs- und Orientierungswissen oder „Weltanschauungen“ avancieren. Auf einer diskursiven Ebene zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit verklammert sich Wissenstransformation mit gesellschaftlichen Wandlungen.
Abgesehen von mikroperspektivischen Beispielen und theoretischen Verallgemeinerungen sind solche Modelle der Wissenstransformation in der Geschichtswissenschaft bisher kaum gewinnbringend aufgenommen worden. Die Studiengruppe diskutiert deshalb, was genau an den Bruchstellen passiert, an denen Transformationsmodelle in die Geschichtswissenschaft übertragen werden. Dadurch können Begriffe wie Entstehung, Emergenz, Kontingenz des Wissens genauer gefasst und die Rolle von intentionalem Handeln, Strukturen und Praktiken in diesen Prozessen diskutiert werden. In der Studiengruppe werden zunächst Lektüre und Diskussion von Texten im Vordergrund stehen, in denen Transformationsprozesse auf vor allem theoretischer Ebene behandelt werden. Anschließend erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Rezeption dieser Theorien in der Geschichtswissenschaft. In langfristigerer Perspektive sollen auch historische Erzählungen, die sich nicht explizit auf ein Transformationsmodell berufen, auf Transformationsmechanismen hin untersucht werden, die ihnen implizit zugrunde liegen.