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Kantowowicz Lecture in Political Language

Christoph Möllers "Kritik der Wertegemeinschaft oder: Über den Platz der Politik in der politischen Auseinandersetzung"

Die diesjährige Kantorowicz-Lecture fand am 27. November 2019 statt. Vortragender war Christoph Möllers, renommierter Rechtswissenschaftler und Rechtsphilosoph der Humbold Universität, Berlin, sein.

Als Rechtswissenschaftler arbeitet Christoph Möllers zu einem breiten Feld von Themen, u. a. zum deutschen und vergleichenden Verfassungsrecht, zur Verfassungstheorie, zu Staatsrecht und öffentlichem Recht, zur Rechtsstaatlichkeit sowie zur Rechtstheorie und -philosophie.

Der Siegeszug autoritärer politischer Bewegungen lädt politische Gemeinschaften zu normativer Vergewisserung ein. Auf der Suche nach Mitteln der Auseinandersetzung sollen die Bestimmung normativer Gemeinsamkeiten helfen, autoritäre Bewegungen zu definieren, zu kritisieren und politisch abzuwehren. Doch ist dieser Weg, das eigene als materielle normative Gemeinsamkeit, als „Wertegemeinschaft“, zu bestimmen, problematisch. Die politische Auseinandersetzung wird damit auf eine Art Endschlacht zwischen Gut und Böse reduziert und der autoritäre Gegner unbotmäßig aufgewertet. Normativ verengt dies den Raum legitimer Politik. Der Versuch, eine große Konsenskoalition zu bilden, verkehrt sich so in sein Gegenteil: Weil sich viele Positionen ausgeschlossen finden, entsteht mehr Polarisierung. Dies gilt umso mehr, weil Konsens über normative Grundsätze oft nur semantisch funktioniert, also über Begriffe wie Demokratie oder Gleichheit, deren konkrete Bedeutung dann doch wieder umstritten ist.

Gegen die Anrufung der Wertegemeinschaft ist an die liberale Intuition zu erinnern, dass sich politische Gemeinschaften mehr kognitiv, also über gemeinsame Wahrnehmungen, als normativ integrieren. Der politische Diskurs wird deswegen im Regelfall besser auf überdeterminierte normative Argumente verzichten – und letzte Prinzipien nur zur Begrenzung des Diskurses, nicht als Konsensunterstellung verwenden.