Bernhard Siegert
Der Vortrag stellt die sogenannten "Pictorial Chapters" aus Herman Melvilles Roman Moby-Dick (Kap. 55, 56, 57) in den Kontext heutiger bild- und medienwissenschaftlicher bzw. wissenschaftsgeschichtlicher Diskussionen, deren Kern Bruno Latours Infragestellung des Antifetischismus der Moderne ist. Zwei eng miteinander verbundene Operationen sind es, die der Erzähler in diesen drei Kapiteln vollzieht: erstens eine Verschiebung des Sinns von Wahrheit und zweitens eine Verschiebung des Sinns von Darstellung. Im Maße wie beide Verschiebungen direkt aufeinander bezogen sind, stellen die sogenannten "Pictorial Chapters" nicht nur einen cetologischen Exkurs des Romans dar. Sie gravitieren im Gegenteil um den Kern der gesamten Darstellungsproblematik des Romans. Und sie belegen, dass schon Ishmael wusste, dass das Projekt der Aufklärung, die Gemachtheit der Bilder ihrer Agency bzw. wissenschaftliche und magische Praktiken einander entgegen zu setzen, an der Wirklichkeit der Bilder vorbeigeht.
Bernhard Siegert ist seit 2001 Gerd-Bucerius-Professor für Geschichte und Theorie der Kulturtechniken an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar