Joseph Vogl
Die Neuzeit hat nicht nur souveräne Staatsapparate, international operierende Handelskompagnien, einflussreiche Financiers und dezentrale Märkte hervorgebracht. Es hat sich auch ein spezifischer Machttypus formiert, der weder durch politische Strukturen noch durch ökonomische Strategien hinreichend beschreibbar ist. Er konstituiert sich allein über das Ineinanderwirken beider Pole. Mit Blick auf die Monetarisierung der europäischen Wirtschaft seit der Renaissance und auf die Bereicherungseffekte fiskalischer Geldpolitik könnte man hier von einer ‚seignioralen Macht‘ sprechen (abgeleitet von seigniorage, dem Münzgewinn oder Schlagschatz bei der Emittierung von Geld). Sie unterscheidet sich von den Spielarten staatlicher Macht dadurch, dass sie weder mit der politisch-juridischen Institution souveräner Gewalt noch mit den Technologien der Regierung koinzidiert und auf der Integration privater Akteure und unternehmerischer Praxis in die Ausübung von Politik basiert.
Die hohe Verschuldung europäischer Fürsten- und Staatshaushalte seit der Renaissance führte nicht nur zu engen Bündnissen und Verwicklungen zwischen Fiskus und privater Finanz, sondern zugleich zur Entstehung und Expansion internationaler Kapitalmärkte. Der Vortrag ist verschiedenen Aspekten in der Genese seignioraler Machtformen seit der frühen Neuzeit gewidmet: dem Problem des Fiskus, dem Status der Münzpolitik, der Rolle des öffentlichen Kredits.
Joseph Vogl ist Professor für Literatur- und Kulturwissenschaft an der HU Berlin