Wolfgang Knoebl
Gemeinsame Veranstaltung mit dem Excellenzcluster „Die Herausbildung normative Ordnungen“ und dem SFB „Schwächediskurse und Ressourcenregime“ der Goethe-Universität.
Die Sozialwissenschaften haben seit ihrer Gründungsphase im 19. Jahrhundert zu ihrem begrifflichen Handwerkszeug stets Prozessbegriffe wie diejenigen der Differenzierung oder der Individualisierung gezählt, mit denen man hoffte, fundamentale soziale Veränderungen fassen zu können. Unklar blieb dabei häufig, ob jeglicher sozialer Wandel als ein Prozess gefasst werden müsse und – wenn dies nicht der Fall sein sollte – was dann eigentlich die Prozesshaftigkeit eines Prozesses genau ausmache. Diese Unklarheiten rächen sich heute insofern, als seit einiger Zeit nicht wenige dieser Prozessbegriffe (siehe etwa die derzeitigen Auseinandersetzungen um „Säkularisierung“) einer fundamentalen empirischen Kritik unterzogen werden, ohne dass sozialwissenschaftliche Theorien hierauf auch schon eine überzeugende Antwort gefunden hätten.
Der Vortrag versucht anhand der Analyse vergangener und gegenwärtiger historischer wie soziologischer Diskussionen um den Prozessbegriff unterschiedliche theoretische Herangehensweisen zu typisieren, deren Stärken und Schwächen zu benennen, und dann auch zu fragen, wie das Verhältnis von Prozess und Narrativität zu bestimmen ist.
Prof. Dr. Wolfgang Knoebl ist seit 2015 Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung.