Steffen Martus
„Die Antike“, so lautet die Ausgangsthese des SFB 644 „Transformationen der Antike“, „ist der wirkmächtigste und kontinuierlichste Traditionsentwurf Europas“. Tatsächlich versprechen die ‚Alten‘ maximale Verallgemeinerungsfähigkeit, aber wie in vielen anderen Bereichen (nicht zuletzt in Glaubensfragen) gerät auch dieser Anspruch in der Frühen Neuzeit unter den Druck von unhintergehbaren Pluralitätszumutungen. Auf dem Feld der Antike wurde daher exemplarisch nach Lösungen für Probleme gesucht, die sich aus tiefgreifenden, strukturellen Veränderungen ergaben und die die Epoche der Aufklärung bestimmten. Der Vortrag zeigt den Begründungsnotstand, auf den die literarische Transformation der Antike im 18. Jahrhundert reagierte, und verfolgt ein Lösungsangebot: die Ästhetisierung der Antike, die nach Maßgabe einer neuen philosophischen Disziplin den „Grund der Seele“ kultivierte, um dort jenen Konsens zu stiften, der andernorts unrettbar verloren gegangen war.
Steffen Martus ist Professor für Neuere deutsche Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart an der HU Berlin