Sybille Krämer
In den Geisteswissenschaften verbürgt der Topos der Tiefe die Dignität eines ‚tiefgründigen‘ Denkens. Und doch verdankt sich die Entfaltung unserer Erkenntnistechniken zu einem Gutteil den Kulturtechniken der Verflachung: Mit Hilfe von Punkt, Strich und Fläche werden komplexe Sachverhalte in Form von Schriften, Tabellen, Graphen, Diagrammen und Karten visualisiert und für die Repräsentation und Erzeugung von Wissen eingesetzt. Worin beruht diese Kreativität der inskribierten Fläche? Spielt es eine Rolle, dass die artifizielle Zweidimensionalität der Fläche zwischen der eindimensionalen Zeit und dem dreidimensionalen Raum steht, so dass Zeit verräumlicht und Raum verzeitlicht werden kann? Eine Antwort auf diese Frage wird durch die Aufdeckung eines kartographischen Impulses im Denkens von Platon, Kant, Descartes und Wittgenstein gesucht: Raumrelationen werden zu einem Instrument der Orientierung im Denken und der Generierung neuer Erkenntnis.
Sybille Krämer ist Professorin für Philosophie an der FU Berlin